Hermine Zine grenzt Patienten aus

Das Hermine Zine, ein alternativer online Veranstaltungskalender für das Ruhrgebiet, verweigerte zweimal eine Antwort auf unsere Anfragen, diese Seite unter der Rubrik "Gruppen" zu veröffentlichen. Das soll nicht unbeantwortet bleiben.

Es ist auch mal wieder ein Anlass, anhand eines Ereignisses zu analysieren, wie unsere Beziehungen ihre Wurzel in den gesellschaftlichen Vehältnissen haben. Wir kommen vom Besonderen zum Allgemeinen.

 

Es ist eine Frechheit, daß sich ein Zine für links-alternative Veranstaltungen und Projekte, sich so verhält. Insbesondere, wo keine einzige andere Gruppe dort aufgelistet ist, an die sich Menschen in Not wenden können, andererseits aber jeder Konzert und Partyveranstalter seinen Raum und Login zu den Veranstaltungsseiten bekommt. Dies ist der selbe Rassismus gegen alle Ausgegrenzten und von der Norm Abweichenden, der auch außerhalb der "linken Szene" relativ weit verbreitet ist. Wer nicht hip ist und sich nicht in dieser Partykultur zu Hause fühlt, bleibt außen vor (Beispiel: 10000 Suizide jedes Jahr in Deutschland und 100000 bis 150000 Suizidversuche, die Dunkelziffer ist höher...auch in unserem näheren Umfeld passiert das). Wenn wir genauer hinschauen, sehen wir, daß alle unter diesen von Wert, Geld, sozialen Status und Wettbwewerb gefütterten Interaktionen leiden. Ein anderes Wort für die scheinbare Normalität des Lebens im Kapitalismus ist Gesundheit. Kein Mensch kann den irrationalen, ärztlich geforderten Richtwert Gesundheit - ein anderer Ausdruck für "der Wertform entsprechen" – erreichen. Leider herrscht aber ein soziales und ökonomisches Klima vor, in dem viele diesem Ideal entsprechen wollen - wie wohl auch die Betreiber des Hermine Zines – was zur Folge hat, daß viele sich nicht mehr trauen, ihre nicht konformen Gedanken und Gefühle zu äußern, oder (auch) über  körperliche Symptome anders als in einem ärztlich bestimmten Kontext zu sprechen. Doch wie soll eine Revolution beginnen, wenn nicht bei uns selber (statt beim Arzt) und in Beziehung zu den kleineren und größeren Zusammenhängen, in denen wir leben?

Wir sind auch für eine Spaß und Partykultur, aber die beginnt erst, wenn wir anfangen, miteinander zu kommunizieren. Das zeigt ja schon alleine die Tatsache, daß diese Kultur für die meisten gar nicht möglich ist, ohne Selbstmedikamentation mit Alkohol, Nikotin und anderen Drogen. Es gilt (zumindest auch) andere Wege zu finden, um aus unseren inneren Gefängnissen auszubrechen und die Mauern zwischen uns (genannt Zwischenmenschlichkeit) aufzubrechen.

 

Jeder hat zu dem allumfassenden Thema Krankheit einen Bezug, und das zeigt sich übrigends auch immer wieder in unseren Gesprächen mit den verschiedensten Leuten über dieses Thema, jedesmal steigt die Aufmerksamkeit, meist in eine progressive manchaml auch in eine reaktionäre Richtung: Psychiatriebetroffene und andere marginalisierte Menschen, die sich freuen, daß jemand auf sie eingeht und ihnen Wege aufzeigt, der Ohnmacht zu entkommen und handlungsfähig zu werden;  der Mann, der schon immer ahnte, daß da was faul ist mit dem Gesundheitssystem; die Frau, die sich viel besser fühlt, seitdem sie trotz Warnung ihres Arztes keine Schilddrüsenmedikamente mehr nimmt; ein paar Antikapitalisten, die vehemt abstreiten, daß Krankheit und Iatrokatie (Herrschaft der Ärzte) mehr als eine Nebensache sein könnte. Oder ein pensionierter Kinderarzt, der erzählt, er hätte damals ein sehr teures elektronisches Diagnosegerät für seine Praxis gekauft und selbstvergessen hinzufügt, daß er nie etwas aussagekräftiges auf den Bildern seines Gerätes erkennen konnte.

 

Jeder kann sich überall zu Krankheit in Beziehung setzen und das stereotype austauschen von Floskeln beenden, in einer Welt voller scheinbarer Zufälle und unerklärlicher, vernunsichernder Widersprüche, wo es die Regel ist, mit seinem isolierten Kampf beschäftigt zu sein....in einer Welt, die bestimmt wird von alles zersetzenden, zerstückelnden vergiftenden, verstrahlenden und aus dem gesellschaftlichen Zusammenhang reißenden Produktionsverhältnissen.

 

Es ist uns klar, daß diese Tatschen für viele beängstigend oder unbequem sind; nur sie zu ignorieren bzw. die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen hilft nicht weiter. Konfrontiert werden alle tagtäglich damit, so oder so. Dagegen hilft, kollektiv eine neue Welt und eine überlebensfähige Spezies Mensch zu schaffen. Immer mehr Leute weigern sich, bloße Objekte der Verhältnisse zu sein und wachen auf. Die Verhältnisse spitzen sich zu und es geht um (Zusammen)Leben und ums Überleben, das wird immer offensichtlicher, und zwar nicht gegen Krankheit, sondern für und mit Krankheit als das revolutionäre Moment überhaupt.

 

Hermine Zine, patientenfeindlich und immer auf dem Laufenden: 

http://hermine.de.gg/

 

P.S.

 

Die Patientenfront versteht sich auch als links, aber das SPK (Vorläufer der SPK/Patientenfront) wurde schon Anfang der 70er von Teilen der Linken ausgegrenzt, weil diese nichts mit Krankheit und Patienten zu tun haben wollte. Andererseits wurden unsere Ansätze an anderen Stellen – abzüglich Krankheit – immer wieder aufgegriffen.

 

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0

Aus Krankheit stark!